20 März 2021

Autoreninterview mit Michaela Baumgartner

Ich möchte euch heute eine Autorin vorstellen, die, nach eigenen Worten abwechslungsreich ist.

Was sich hinter "abwechslungsreich" verbirgt, könnte ihr in dem folgenden Interview lesen. 

Mein Interview mit Michaela Baumgartner

Erstmal danke ich dir, dass du dich dazu bereit erklärst, mir ein paar Fragen über dich und deinen Roman zu beantworten.
Sehr gerne! Normalerweise bin ich ja diejenige, die die Fragen stellt. Lustig, mal auf der anderen Seite des Zauns zu stehen. Eine interessante Erfahrung!

Du hast Geschichte, Germanistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien studiert. Was hat dich an den Fächern so interessiert, dass du genau diese als Studienfächer ausgewählt hast?
Also ich empfand es als extremen Luxus, das studieren zu dürfen, was mich wirklich begeistert. Die meisten meiner Freunde haben Medizin, Jus oder Wirtschaft studiert. Das wäre nichts für mich gewesen. Geschichte, vor allem Zeitgeschichte und Zivilisations- also Alltagsgeschichte, finde ich einfach spannend, weil wie dabei auch so viel über uns selbst lernen. lesen und schreiben gehört für mich zum Leben wie die Luft zum Atmen, deshalb die Germanistik. Und Kommunikationswissenschaft? Das war die einzige universitäre Ausbildung für Journalist/innen damals.

Das klingt alles sehr schlüssig. Wie würdest du denn deinen Charakter beschreiben? In erster Linie sehe ich mich als Kreative, die lernen musste, Strukturen für sich selbst und andere zu schaffen. Wie heißt dieser Buchtitel: Ich bin viele. Ich denke, das trifft es am besten. Also mir wird mit mir selbst nie langweilig.

*Einstimmiges Lachen* Ja, das geht mir auch so. 
Hast du einen bestimmten Ort, an dem du dir Geschichten ausdenkst, also z.B.  bei einem Stadtspaziergang oder vielleicht im Restaurant?
*lachen* Die Dusche! 
Und dann bin ich zum Beispiel auch eine Morgendämmerungslistenschreiberin. Puh, was für ein Wort. Die Ideen kommen immer dann, wenn man komplett loslässt.

Oh ja, das kenne ich. Wenn man sich verkrampft, dann geht gar nichts mehr.  Welches ist dein liebster Schreibort? Schreibtisch, Couch usw.?
Eindeutig mein Schreibtisch. Ich hab's mal im Kaffeehaus probiert, dann aber fange ich immer an zu beobachten - und aus ist's mit dem Schreiben.

Menschen zu beobachten kann ja auch sehr spannend sein. Wolltest du eigentlich schon immer schreiben und Geschichten erzählen?
Ja. Tagebuch. Gedichte. Artikel. Meinen ersten Artikel habe ich übrigens über die Wiener Kaffeehauskultur geschrieben. 

Hm, dann muss ich mal ein bisschen stöbern, ob der Artikel noch irgendwo zu finden ist. Kommen wir nun aber zu deinem Roman. Darin geht es um drei Geschwister mit Hinblick auf den nahenden Debütantenball. Wie hast du dich mit diesem Thema auseinandergesetzt?
Zuerst war da der Zeitraum. Die Regency-Ära in Österreich, also bin ich beim Wiener Kongress gelandet. Dann habe ich überlegt, welche Geschichte ich dazu erzählen könnte. Und plötzlich traten Sophie, Fanny und Georg auf den Plan. Der Ball war natürlich ein Muss. Nicht umsonst hieß es: "Der Kongress tanzt."

Debütantenball ist auch für dich ein Debüt. Können wir mit weiteren Büchern von dir rechnen?
Im Moment schreibe ich gerade an der Fortsetzung.

Das freut mich. Ich bin schon sehr gespannt darauf und auch wie sich die Protagonisten verändert haben. Da fällt mir auch schon die nächste Frage ein: Kannst du dich mit deinen Protagonisten identifizieren?
Nein. Mit allen vielleicht ein bisschen? Aber in Wahrheit nicht. Aber ich höre ihnen aufmerksam zu und verfolge ihre Entwicklung mit großem Interesse. Ich mag sie einfach sehr.

Klingt interessant. Genauso geht es mir als Leser auch. Fanny ist ja ein ziemlich starker Charakter, der sich erst im Laufe des Romans formt. War es schwer für dich, sie so zu erfinden?
Ja, die Fanny ist ein starkes Mädchen. Sie lässt sich nicht unterkriegen. Das beweist sie auch jetzt in der Fortsetzung. Aber zu deiner Frage: Ich erfinde Charakteren nicht. Sie sind da und ich versuche, sie bestmöglich zu beschreiben, damit die Leser/innen sehen, was ich sehe.

Du siehst die Charakteren sozusagen mit den Augen des Lesers. Bei der Familie von Wohlleben sind ja mehrere, ganz unterschiedliche, Charaktere vereint. Diese so detailliert zu beschreiben und während der kompletten Geschichte beizubehalten, stelle ich mit ganz besonders schwer vor. Wie hast du die Entwicklung der Protagonisten empfunden?
Alle Charakteren haben ein Eigenleben. Es gelingt ihnen immer wieder, mich zu überraschen. So wie man im richtigen Leben nie zweimal in denselben Fluss steigen kann, so gehen auch die Figuren ihre eigenen Wege und verändern sich ständig. Ihre Entwicklung bewerte ich nicht. Es ist, wie es ist. Manchmal scheint gut, was im Nachhinein schlecht ist. Und jeder entwickelt sich nach seinen Möglichkeiten, handelt so, wie es ihr/ihm im Augenblick richtig erscheint. 

Die Parallele zum Fluss gefällt mir. Stimmt, alles ändert sich. Aber gibt es auch einen Charakter, bei dem du lange überlegen musstest, oder waren alle von Anfang an sehr vertraut?
Am Schwierigsten für mich war die Fürstin Katharina Pawlowna Bagration. Sie ist ja eine historische Figur. Von ihr weiß man viel, und ich musste sie in meine Geschichte so integrieren, dass es sich auch tatsächlich hätte zutragen können. Das heißt, dieser Figur musste ich intensiver nachspüren. Dazu kommt, dass sie die einzige Person ist, die meinem Wesen wirklich vollkommen fremd ist. In jeder Hinsicht. Mit ihr habe ich mich, offen gestanden, ziemlich geplagt. Und die Figuren in meinem Buch auch.

Ja, ich weiß auf was du ansprichst. Wie hast du zu deinem Buch recherchiert? Reist du in die Stadt in der die Handlung stattfindet? Wie darf man sich das vorstellen?
Ich lebe in Wien, das macht vieles einfacher. Ich glaube, außer Karl May ist es bisher niemandem wirklich erfolgreich gelungen, alles in einer Art Studio nachzustellen. Man muss die Energie des Ortes spüren, auch die der Zeit. Deshalb war ich in vielen Ausstellungen, 2015 wurde in Wien ja "200 Jahre Kongress" gefeiert. Das hat natürlich dabei geholfen, in die Zeit so richtig einzutauchen. Irgendwie fühle  ich mich beim Schreiben wie eine Zeitreisende, ich bin immer mittendrin im Geschehen. Aber natürlich lese ich viele Sachbücher und wissenschaftliche Arbeiten über die Epoche und recherchiere im Internet.

Das Internet bietet wirklich sehr viele, und auch fundierte Möglichkeiten, die sich bei der Recherchearbeit als hilfreich zeigen. Bevor wir langsam zum Schluß kommen, hätte ich da noch eine abschließende Frage: Wie läuft bei dir der Schreibprozess und die Entwicklung einer neuen Idee ab? Schreibst du immer drauf los oder verwirfst du dein Konzept immer wieder?
Ich habe ein grobes Konzept, schreibe darauflos und komme zum Schluss drauf, dass ich das Konzept neu schreiben muss, weil alles ganz anders gekommen ist. 
Also wie im richtigen Leben. 
Ja genau, aber was wäre ein Leben ohne Überraschungen?

Da hast du wohl recht. Es sind die Überraschungen, die das Leben erst so richtig lebens - und lesenswert machen.
Ich danke dir, für dieses ausführliche Interview und drücke dir für die Fortsetzung ganz fest die Daumen. 


Autorenvita:
Ich bin in Linz geboren, also streng genommen keine Wienerin. Mit 18 habe ich in Wien begonnen zu studieren, nach einem Jahr voller Heimweh bin ich zurück nach Linz und habe eine Buchhändlerlehre absolviert. Dann habe ich mein Studium wiederaufgenommen, aber immer nebenbei gearbeitet. Oder nebenbei studiert,  wie man's nimmt. Als Sachbuchlektorin und freie Journalistin bei verschiedenen Tageszeitungen und Magazinen. Meine Dissertation hab ich zum Thema Presse und Verlagswesen im Nationalsozialismus verfasst. Nach der Geburt meiner Tochter war ich als Kommunikationstrainerin tätig. Mittlerweile leite ich seit vielen Jahren eine Agentur für Öffentlichkeitsarbeit und Corporate Publishing in Wien.


Über welches Buch haben wir gesprochen:


Buchdetails:
Titel: Debütantenball - Historischer Roman aus dem alten Wien
Autorin: Michaela Baumgartner
Herausgeber: Gmeiner Verlag
Bindung: Taschenbuch
Seitenzahl: 344
ISBN: 9783839228074
Erscheinungsdatum:  21.01.2021
Preis: TB 13,50 € / ebook 10,99 €

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